Dr. Claudius Kern
Macht und Ohnmacht der Philosophie
Zur Ideologiegeschichte des Abendlandes - Teil 2

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Der Weg durch die Ideologiegeschichte des Abendlandes führte uns im letzten Tattva Viveka von Pythagoras über Sokrates, Platon, Aristoteles bis über die Höhen und Tiefen der Scholastik und parallel dazu in die mittelalterliche Mystik und Alchimie. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Es ist nicht meine Absicht, hier ein Panorama der Denkstile des Abendlandes vorzustellen. Es sind bei weitem nicht alle wichtigen Philosophen und Ideologen aufgeführt, die maßgeblich das öffentlich gelehrte Denken und die gesellschaftlichen Ziele unserer Zeit geprägt haben. Der folgende Beitrag will zunächst deutlich machen, wie die sophistische Klügelei um die Gottesidee erst zaghaft, dann sturmartig umschlägt in die Rückbesinnung auf die menschlich-weltliche Macht, wobei die scholastische Denkdisziplin - unter radikaler Veränderung der Werte und Ziele - durchaus als Vorübung zum rigiden, dogmatischen Rationalismus des wissenschaftlichen Zeitalters gesehen werden kann.... Im zweiten Teil über ‚Die neuen Paradigmen' wenden wir uns erst den ideologiekritischen Anmerkungen aus der Erkenntnistheorie zu, um dann diese ‚neuen Paradigmen' vorzustellen. Zum Schluß wird deutlich, wie diese die Natur-Geistspaltung Zug um Zug überwinden und den Weg frei machen in die ‚philosophia perennis', um nach düsteren Zeitaltern des (äußerlichen) Erklärens, der kulturellen und naturalen Vergewaltigungen die Tore aufzustoßen in die Welt des wesenhaften Verstehens, des Bewußt-Seins.

Der Sturz von der These in die Antithese im 17. Jh.
Die These des Ausgeliefertseins des Menschen an Gott und Kirche, die alltägliche Behinderung praktischer und spiritueller Erkenntnis und Erfahrung, die ständige Abfolge von Bannsprüchen gegen Andersgläubige und vor allem die Schreckensherrschaft der Inquisition nährte die Sehnsucht nach dem Dammbruch. In versteckter Form fanden Rinnsale immer wieder einen Weg in die Freiheit des Geistes, etwa in Gestalt der Alchimie, doch sie hatten kaum einen Einfluß auf die Linderung der Not und Unterdrückung in der Welt. Die Sehnsucht nach praktischem Fortschritt im Lebensalltag ohne religiöse Knebelung erfüllte Galileo Galilei (1564 - 1642). Er machte wahr, was zwei Jahrzehnte vor ihm Francis Bacon (1561 - 1626) postuliert hatte: der Natur ihre Geheimnisse so zu entlocken bzw. zwingend zu entreißen, daß sie diese preisgeben müsse: also nicht mehr durch hypothetische Spekulation wie bei Aristoteles, schon gar nicht durch sensibles Einfühlen und Einswerden, wie es der keltischen Naturverehrung entsprach, sondern durch das zwingende Experiment: "Messen und zählen, was meß- und zählbar ist; alles, was es nicht ist, meß- und zählbar machen". Plato umgedreht und ausgeschüttet

Plato umgedreht und ausgeschüttet
Galilei führte also die quantitative Methode ein, das theoretisch entworfene "experimentum crucis". Dabei griff er für den oberflächlichen Betrachter auf Pythagoras und Plato zurück, wenn er sagte, das Buch der Schöpfung sei in mathematischen Zeichen geschrieben. Erinnern wir uns diesbezüglich an die pythagoräische Dreigliederung des Begriffs der ‚Theoria' a) »Erkenne dich selbst! « b) »Erkenne die Einheit des Weltgefüges und ihr geistiges Wesen! « c) »Erkenne die Verbindung zwischen den sterblichen Menschen und den unsterblichen Göttern und deinen Weg von diesem Zustand zu jenem! « »Bios theoreticos« stand für die Bestimmung des Menschen, die Wahrheit als die Erkenntnis der ewigen Dinge zu erwerben. Pythagoras und Plato sahen im Äußeren eine symbolische Kosmologie des Inneren und lehrten umgekehrt die ‚Kosmogonie' (Nachvollzug des Göttlich-kosmischen im Irdisch-weltlichen und im Bewußtsein) als Lebensideal, als die ‚Qualitas' an sich. Durch diese analoge Zuordnung von menschlichen, göttlichen und naturalen Qualitäten konnte sich der Neuplatonismus ohne weiteres mit Kabbalistik und Mystik verbinden, blieb also stets eine dem Heiligen und Numinosen verpflichtete ‚Wissenschaft'. Sogar Alltagsgegenstände wie Küchenherd, Schale oder Schwert hatten darin den dreifachen Bezug als Repräsentation des bzw. eines göttlichen, intelligenten Wesens (Gottheit, Engel, Urbild) und dessen Sinn oder Selbstzweck (‚telos'), eines menschlichen Verwendungszwecks und eines Geschenkes der Natur als lebendige, intelligente Weltenseele. Jedoch bereits Aristoteles eliminierte aus den "platonischen Ideen" den esoterischen (inneren) Gehalt. Für ihn bestand die Welt nur noch aus simplen Anschauungs-Kategorien. Am Ende des Mittelalters hatte der Begriff der ‚Theoria' sowie der damit untrennbar verbundenen ‚Entelechia' und in der Folge die ganze Mathematik der Zahlenwerte einen fundamentalen Bedeutungswandel durchgemacht. Im heutigen Zeitalter des [scheinbar] aufgeklärten Rationalismus denken wir infolgedessen ganz selbstverständlich nur noch in profanen Kategorien, was im hierophanen, partizipierenden Bewußtsein Qualität bedeutet: Im kategorialen Sinne verkürzt sich diese Dreiheit auf den gedachten instrumentellen Zweck allein. So blieb auch vom äußerst tiefsinnigen kosmologischen Wesensgehalt der Zahl (wie bei Plato) nur mehr ein im wahrsten Sinne des Wortes bedeutungs-loses, rein quantifizierendes, totes Zählgerippe. Auf diese ganze, von Aristoteles nicht mehr begriffene, Widersprüchlichkeit zum (lebendigen) Geist setzte aber die erstarkende Kirche ihre kosmologische Konstruktion, was auf längere Sicht gar nicht anders als schiefgehen konnte.

Erkenne dich selbst - in Perversion
Die konsequente Umprägung des Theorie-, Teleologie- und Qualitätsbegriffes finden wir zuletzt in folgenden stillschweigenden ‚Wissenschaftskriterien': a) Eliminiere pragmatisch jede geistige Perspektive aus deiner Weltsicht b) Suche nach standardisierten Verallgemeinerungen, also Kategorien statt nach platonischen Ideen = Wesenszügen c) Suche den Zweck in deinen (dich be-)herrschenden (Konsum-)Bedürfnissen statt in der Vervollkommnung der Seele (wobei widersprüchlicherweise der Forscher als Bezugpunkt im naturwissenschaftlichen Schlußfolgern nicht vorzukommen hat - außer, wie wir noch sehen werden, in der Quantenphysik). Die Wurzel dieser Perversion ist schon beim "heiligen" Augustinus zu finden. Am Beispiel seines zurechtgebogenen und vereinnahmten Gottesbildes (unendlich transzendent, naturfern und -feindlich) fiel es einem Laplace außerordentlich leicht, Stufe 3 zu vollziehen: Mit der Schützenhilfe von Newtons Himmelsmechanik bewies er, daß die "Hypothese Gott" für eine ernsthafte Wissenschaft "nicht brauchbar" ist, daß also die Natur ohne sie berechenbar gemacht werden kann und hinfort soll. (Stufe 2 vollzog Galilei in der Praxis und Descartes in der Theorie, indem ersterer das Experiment und die Naturbeschreibung, letzterer die rationalistische Schlußfolgerung streng von ‚esoterischen' Überlegungen trennte.) Das Interesse der Massen konnte schließlich in einem vierten Schritt dahingehend manipuliert werden, daß in den Schulen weitgehend nur mehr die Befähigung zur industriellen und wirtschaftlichen Verfügbarkeit gelehrt wurde und wird, wobei der Religionsunterricht sich selbst entäußert und isoliert, ja eigentlich längst ad absurdum führt. Die Umwandlung der Primärbedürfnisse in sekundäre, die oberflächlich durch Marktangebote befriedigt werden, stellt sich dabei wie von selbst ein... (pseudoaufklärerisch nennt sich das "Entmythologisierung"). Wahrscheinlich hätte die Wissenschaft ohne scholastische "Vorbildung" nie werden können, was sie geworden ist: dogmatisch in ihrem Anspruch, die Wirklichkeit methodisch richtig zu erfassen, diktatorisch in dem von ihr als ‚einzig wahr' dargestellten ‚way of life'. Dafür galt es im Zuge solcher "Entmythologisierung" ein weiters Vakuum zu besetzen: Das "Erkenne dich selbst" umschließt ja auch die Fragen: "Wer bin ich? Woher komme ich? Was ist mein Ziel?" Wieder unbewußt durch die menschlich-unannehmbare klerikal-naturfeindliche Erziehung des Volkes bestens vorbereitet, galt es an die Stelle der ‚Schöpfung' einen neuen Mythos zu setzen: Im 19. Jh. formulierte Darwin (1809 - 1882) (und nach ihm noch radikaler Jaques Monod [1910-1976]) seine Paradigmen zur Evolution. Dabei ist es nur konsequent, wenn aus dem "unerforschlichen Ratschluß Gottes" (als Synonym für den Gnadenbegriff) im materialistischen Weltbild ein "blinder Zufall" wird, während aus der "gefallenen Schöpfung" ein "unerbittlicher Kampf um egoistische und gattungsbestimmte Daseinsvorteile" hervorgeht, die wiederum im industriellen Wettstreit ihre reinste Widerspiegelung finden (in bezug auf die Natur wurden dieses ‚sozialdarwinistische Dogma in letzter Zeit bereits vielfach widerlegt). In gewisser Weise werden auch hier nur die Vorzeichen dessen, was als erstrebenswert gilt, geändert, u.a. von streng theistisch auf streng atheistisch, der Rest erledigt sich von selbst.

Der dreifache Identitätsverlust bei Descartes...
Augustinus hatte mit größtem Erfolg Verworfenheit und Ohnmacht des Menschen vor Gott suggeriert und mit seinem Postulat "nihil salus extra ecclesiam" ("es gibt kein Heil außerhalb der Kirche) scheinbar unentrinnbar eine ebenso gefährliche wie fatale usurpatorische Macht zwischen dem Individuum und seinem Urgrund geschoben. Als schließlich der Leidensdruck der unterdrückten Völker und somit die Zeit dazu reif war, hatte es René Descartes (1596 - 1650) leicht, die Antithese dessen populär zu machen: Er setzte den Menschen wieder in den Mittelpunkt und nannte ihn das "Maß aller Dinge". Darüber hinaus ist das cartesianischen Weltbild in wesentlichen Punkten nur die materialistische Umdeutung dessen, wie schon die Scholastik sich Gott nach dem Bilde ihrer Gelehrten erschuf (siehe wieder die Analogie zur ‚Theoria'): a) Gleichsetzung von Geist und Intellekt; b) Gleichsetzung des Idee- und Transzendenzbegriffes mit praktisch totalitärer Abstraktheit; c) die uns umgebende Natur degradierte er jedoch vollends, nämlich zu mechanistisch begriffenen Dingen und (Gebrauchs-)Gegenständen ("res extensa"). Mit derselben Konsequenz erklärte er die innewohnende Natur der Organismen zu ("nichts als") biologischen Maschinen mit - erst später entdeckten - psychischen Mechanismen.

... und dessen konsequente Steigerung im 19. und 20. Jahrhunderter
Wenn sich die ebenso einseitige wie "hervorragende" intellektuelle Eitelkeit mit sozialem Missionierungsdrang verbindet, hat das fatale Folgen. Dazu nur stenogrammartig einige Beispiele:

  • Rudolph Vierchov (1821 - 1902) etablierte die konsequente Leugnung der Seele und schob dem Zellhaushalt allein das Zustandekommen von Krankheiten zu - wodurch er die abendländische Menschheit von der deprimierenden Aussicht auf "Krankheit durch Sünde" befreite;
  • Sigmund Freud (1856 - 1939) stellte die Sexualität als eigentlichen Antrieb gegenüber jeder kulturellen Norm heraus;
  • Viktor Kraft etablierte daraufhin die "optimale Begehrensbefriedigung" als den eigentlichen Sinn des Daseins;
  • Rudolph Carnap ging schließlich noch einen Schritt weiter und leugnete überhaupt jeden Sinn, während Ludwig Wittgenstein (1889 - 1951) dessen Suche schlicht als "falsch gestellte Frage", Ethik als "Geschwätz" und metaphysische Probleme als Resultat mangelhaften Erfassens der ‚Grammatik' der Wörter bezeichnete...

Und so wird mittlerweile praktisch weltweit und gleichsam selbstverständlich auf allen namhaften Schulen und Universitäten ein methodischer Atheismus und Agnostizismus gelehrt...

Davon abgesehen wird aber auch der echte Fortschritt durch Bacon, Galilei, Descartes und Newton deutlich: Der Intellekt braucht die Kontrolle durch Erfahrung, resp. durch das Experiment, um zu gültigen Schlüssen über die Wirklichkeit (genauer gesagt: über die meßbare Tatsachenebene) zu kommen, es genügt keineswegs, den aristotelischen Vernunftprinzipien allein zu trauen. Das war der große Hemmschuh, warum sowohl die Scholastik wie m.E. die Naturphilosophie des Mittelalters ständig auf der Stelle traten. Doch selbst damit ist noch lange nicht das letzte Wort gesprochen, denn auch Rationalität plus Empirie hält das menschliche Bewußtsein in Grenzen, in viel engeren nämlich, als es seinem Potential entspricht.

Entstehung "papierener" Werte
Die konsequente Anwendung der Methode, möglichst alle Werte des Lebens bloß noch zu quantifizieren, findet im 17. Jh. ihren "würdigen" Partner in der Erfindung des Papiergeldes. (Die Idee war nicht ganz neu, in China läßt sie sich bis ins 7.Jh. zurückverfolgen, u.a. verbreitete Marco Polo diese Kunde in Europa. Goethe setzte jene problematische "alchimistische" Kunst, die seither einfach aus Papier "Gold" macht, im Faustdrama, Teil II ein [noch viel zu wenig erkanntes] Denkmal abendländischen Eroberungswahns. Auf der Tatsachenebene war es schließlich der durch Kriege verschuldete Wallenstein, welcher der Idee endgültig zum Durchbruch verhalf, mit der Unterschrift des Kaisers auf wertlosem Papier die noch nicht mal gehobenen, also erst (vom ‚dumben Volk') zu erarbeitenden Bodenschätze an seine Gläubiger zu verpfänden, nach dem gleichen Muster des Zinseszinsjochs, unter dem sich seit Kolumbus die 3. Welt verschuldet und verkauft [und von uns letztlich jeder einzelne an die Bankenmacht]). Das Schuldenpapier = Papiergeld und seine Herren diktieren seither die Ziele der Forschung und den Gang der industriellen Revolution in Form der ebenso wohlfeilen wie konsequenten Unterwerfung der Natur und zugleich Vermassung und Degradierung des Menschen zur bloß quantitativ gemessenen "Arbeitskraft". Mit dieser Wende zur vollendeten Quantifizierung a) der Zahl, b) der Welt und c) der Werte frißt also, wie C.F. Weizsäcker bemerkt, die Revolution endgültig ihre Kinder. Aus einem lebendigen Universum voller Wunder wird eine unendliche Wüste berechenbarer Gebrauchsgegenstände. Das Loblied des staunenden Weisen, der sich mit zunehmendem spirituellem Wachstum immer intensiver als Teil des Großen Geheimnisses begreift, erfriert unter der seelenlosen Maske der zweiten (menschlich-prometheischen) Supermarkt- und Automaten-Schöpfung.

DIE NEUEN PARADIGMEN
Newton's Satz "Hypothesen ersinne ich nicht" läßt sich als zentraler Punkt ausmachen, durch den die Ergebnisse einer induktiv-positivistischen Methode die Qualität eines ideologischen Dogmas gewinnen. Der technische Erfolg dieser Methode scheint ihr auf den ersten Blick vollkommen recht zu geben, doch der Versuch, Hypothesen quasi als "zwingend" hinzustellen, kann nur scheitern.

"Hypothesen sind relativ willkürlich...
Sie beschreiben in erster Linie unseren Verständnishorizont." Karl Popper (* 1902), von dem dieser Satz stammt, zerstörte gründlich dieses Wunschbild damit, daß er messerscharf folgerte: "Bekanntlich berechtigen uns noch so viele Beobachtungen von weißen Schwänen nicht zu dem Satz, daß alle Schwäne weiß sind." Er läßt damit eine nur annähernde Wahrheitsfindung gelten, die sich in wissenschaftlichen Experimenten oder technischen Anwendungen bewahrheiten müsse.[1] Nach ihm ist die Wahrheitsfindung primär deduktiv, wobei er die Wichtigkeit intuitiver Schritte als Erkenntnistheoretiker voll anerkennt.

"...weder wahr noch wahrscheinlich"
Poppers Modell wird in der Folge von anderen noch weiter ausgefeilt, erhält aber neuerdings seinerseits empfindliche Erschütterungen, die es wahrscheinlich machen, daß es sich davon nicht mehr erholen wird: Das Problem formuliert treffend Franz Moser [2]: Hatte man bisher angenommen, die Methoden der Wissenschaften würden garantieren, daß ihre Ergebnisse wahr, wahrscheinlich, fortschrittlich oder zumindest in hohem Maße bestätigtes Wissen wären, so mißtrauen zumindest Erkenntnistheoretiker dieser Ansicht und halten sie für naiv. So schreibt Larry Laudon: "Alle Glaubenssysteme, einschließlich der Wissenschaft, muß man als Dogmen und Ideologien sehen, zwischen denen eine objektive, rationale Entscheidung nicht möglich ist." Und er führt aus: "Wissenschaftssoziologen konnten auf verschiedene Episoden der kürzlichen und länger vergangenen Wissenschaft verweisen, bei denen unzweideutig verschiedene nichtrationale oder irrationale Faktoren im Wissenschaftsprozeß beteiligt waren. Einige Historiker und Wissenschaftstheoretiker (z.B. Kuhn und Feyerabend) haben dargetan, daß nicht nur einige Entscheidungen zwischen konkurrierenden Theorien in der Wissenschaft auf irrationaler Basis gefällt wurden, sondern daß die Wahl zwischen konkurrierenden, wissenschaftlichen Theorien, vom Prinzip her, irrational sein muß." [3]

Wissenschaft als Mythos
Oder der Hirnforscher und Nobelpreisträger Peter Medawar: "Die Idee der naiven oder unschuldigen Beobachtung ist ein Mythos. Bei allen Sinneseindrücken separieren wir und wählen wir aus, wir interpretieren, suchen und zwingen Ordnung auf, erfinden und testen Hypothesen über das, was wir beobachten." [4]

Wissenschaft als Überredungskunst
Thomas S. Kuhn zeigt in seinem Buch "Die Struktur der wissenschaftlichen Revolution" [5] die Strategien der Überredung, Propaganda und Immunisierungsstrategien einer Paradigmentheorie auf und bestreitet in diesem Zuge, daß es überhaupt grundsätzlich falsifizierende Erfahrungen gibt. Das ist leicht einzusehen, wenn man Popper beim Wort nimmt, der fordert, daß eine Theorie solange nicht als voll bewiesen gelte, als sie noch andere Erklärungsmöglichkeiten zulasse. Nun, das ist zwar gut gemeint, aber er verrennt sich wiederum in einen fragwürdigen Regreß, indem er daraus eine rigide Forderung zieht: sein berühmtes Sparsamkeitsprinzip. Danach sei die Theorie vorzuziehen, die mit den wenigsten zusätzlichen Annahmen auskomme, im Klartext: die sich am besten in das "sparsame", weil geläufige Weltbild der Majorität einfügt. Und Kuhn weist Popper als naiv zurück, wo er glaubt, eine bestehende Theorie ließe sich mit experimentellen Ergebnissen grundsätzlich widerlegen. Er meint lapidar, im Widerstreit zwischen Theorie und Erfahrung würde meist nur versucht werden, die alte Theorie möglichst lange anzupassen, aber nicht zu verwerfen. Dies mag nun genügen, um auch den neueren Theorien distanzierter gegenüberzustehen, deren ideologische Überladung kaum geringer ist als gewohnt, nur daß sie einen gewissen Hang zum Paradoxen, Überraschenden oder gar Anarchistischen aufweisen, nicht anders, als dies der vorgewagteste Erkenntnistheoretiker Feyerabend erwartet hat, wenn er schreibt: "Abweichungen, diese ‚Fehler' sind Vorbedingungen des Fortschritts ... ohne Chaos keine Erkenntnis." [6]

Wissenschaft als Sehproblem
Auch daraus ergibt sich, daß unser Denken bloß scheinbar ‚objektiv' sein kann (abgesehen davon, daß es im Subjekt und nicht in einer Maschine, einem Objekt stattfindet), denn wir lösen schon beim Hinschauen ständig Ereignisketten durch einen Bewertungsfilter heraus, ordnen sie nach verschiedenen, nur selten bewußten Kriterien, stülpen ihnen Netze aus Kategorien, Verallgemeinerungen, Vorurteilen und Vorlieben über, und meist halten wir uns in dem Glauben, die Wirklichkeit bestehe nur aus dem, was wir - derart gefiltert - beschreiben und (technisch) beherrschen. Durch diese Auswahl, also buchstäblich durch unser ‚erkenntnisleitendes Interesse' schaffen wir so eine Sekundärwirklichkeit, von der wir glauben, es sei unsere eigentliche. Als Wahrheitsbeweis gilt die Machbarkeit selbst, übergeordnete Sinnfragen können von der experimentellen und statistischen Forschung nicht beantwortet werden und werden daher zumeist überhaupt ausgeblendet. Kurz und deutlich gesagt: Wahr ist, was machbar ist. Menschen hingegen, die aus einer sog. ‚Gipfelerfahrung' oder ‚Wesenschau', also aus einem enorm gesteigerten Bewußt- und Präsentsein zurückkommen, sprechen völlig anders von dieser umgebenden und innewohnenden Wirklichkeit, und das sollte eigentlich sehr zu denken geben... [7]

Wissenschaft und Eitelkeit
Hans Peter Dürr spricht sicher vielen aus der Seele, wenn er folgenden Aspekt hervorhebt [8]: Haben Wissenschaftler überhaupt Erkenntnis und praktische Hilfestellung zum Ziel? Wird Wissenschaft nicht schon lange mehr von persönlichem Ehrgeiz, Eitelkeit und Erfolgssucht geprägt und damit zu einem angepaßten Glied in einer Wettbewerbsgesellschaft, in der das Überholen und Übertrumpfen des anderen zum wichtigsten Ziel geworden ist?"

Wissenschaft als Teil der Marktwirtschaft
Wer kauft, hat recht. Auch dieses Bestätigungskriterium ist in der real esistierenden Wissenschaft ein Wahrheitskriterium. Die enge Verflechtung mit dem Kapitalismus wurde eigentlich schon mehrfach angesprochen. Machbarkeit und Vermarktbarkeit sind Teile der instrumentalisierten Realität, der Zwecksetzungen, der Objekte und folglich derObjektivität. Wird diese zur einzig wahren Realität erklärt, wird die Welt nur aus ihren Funktionsmechanismen heraus erklärt, werden alle ‚Warum'-Fragen zu ‚Wie-(funktioniert-das)-Fragen reduziert, dann hört Leben und natürlich auch Mensch-Sein (und Menschenwürde) als Wert in sich auf, dann ist auch Geist nur noch Maschinenlogik, dann hat Wittgenstein recht, wenn er behauptet, Fragen nach einem existenziellen Sinn und Grund sind semantisch falsch gestellte Fragen. Auch der Begriff der Verantwortung wird in diesem Rahmen zur Leerformel.

Wissenschaft und Inquisition
Weil bis zu einem solchen Bedeutungshorizont es meist an Interesse und mitunter wohl auch an Intelligenz fehlt, herrscht auf Universitäten weithin eine Peitsche der Opportunität, die der mittelalterlichen Inquisition nur in der Methode, nicht aber in der Effizienz nachsteht. Praktisch kein Universitätsprofessor kann es sich leisten, aus dem Commonsense der stillschweigenden Normen auszubrechen, welche nicht nur die Methodik, sondern ebenso auch die Forschungsthemen in engen und rigiden Geleisen hält. So werden Lehrstätten zu Leerstätten, was Kreativität, Menschenwürde und Verantwortung betrifft, steuer- und kapitalverschwendende Schulen der Erstarrung, Fortschrittsverhinderung und geistigen ‚Gehirnverkalkung', sodaß selbst die Wirtschaft sich zunehmend davon abwendet und der Begriff ‚Akademiker' bereits anrüchig geworden ist. Verlust an ‚Marktwert' akademischen Wissens ist die eine Seite, Verlust an Sinnhaftigkeit die andere. Die Tabuisierung der Sinnfrage wird besonders deutlich, wo eine Nähe zu grenzwissenschaftlichen Paradigmen (die oft auch religiöse Fragen berühren) gegeben ist. Hier wimmelt es an Beispiele,wo deutlich wird, daß die Inquisition, unter der schon Galilei zu leiden hatte, in etwas sublimerer, aber nicht weniger wirksamer Form auf akademischem Boden fröhliche Urständ feiert. Der universitäre Geist wiederholt also auch hier ein altes Muster, das schon die Kirchenscholastik letztlich zum Abdanken und insgesamt zur ‚Renaissance' geführt hat.

Kritik aus der Quantenphysik
Für die Welt der Quantenphysik hat sich die Subjekt-Objekt-Trennung längst als unzutreffend erwiesen, desgleichen die Kategorien von Raum und Zeit, ja sogar die Kategorie des Seins, als ‚es ist' oder ‚es ist nicht'. Die Quantenphysik sieht ein Netzwerk von Wahrscheinlichkeiten, die sich ereignen - oder auch nicht. Dabei spielt die Einflußnahme des Beobachters, des Handelnden eine entscheidende Rolle, so daß gilt: Es gibt Objektivität nicht, zumindest nicht im herkömmlich verstandenen Sinne. Das ist eine Frage des Standpunktes, mehr nicht. Reden wir lieber von ‚gut abgesicherten Beobachtungen unter bestimmten Bedingungen. Daraus ergeben sich Ordnungsmuster, aber Wirklichkeit - im quantenphysikalischen Sinne - sind sie nicht. Als Beispiele dafür können u.a. das Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon oder Schrödingers Katzenparadoxon gelten. [9]

Unsere Sicht ist unser Gefängnis
Nun läßt sich entgegnen, daß wir ja trotzdem im cartesianischen Raum der Subjekt-Objekt-Spaltung verbleiben und der quantenphysikalische sei unserer praktischen Wirklichkeit gegenüber transzendent. Wer sagt uns, daß wir uns nicht bloß hartnäckig weigern, die quantenphysikalische Wirklichkeit auch im makroskopischen Bereich zu sehen? Wer sich darin auskennt und sich auch mit Paraphänomenen und Mystik beschäftigt, findet regelmäßig die augenscheinlichen Parallelen. Wir bauen also bloß fortlaufend an unserem geistigen Gefängnis durch die kategorialen Filter, mit denen wir die Welt betrachten. Und hinter diesen stehen meist unterschwellige ‚erkenntnisleitende Interessen' (Gewohnheiten), die nur fortbestehen, weil sie nicht hinterfragt werden, mehr noch, weil sie innerhalb herkömmlicher Wissenschaftlichkeit überhaupt nicht hinterfragt werden können! Wem das bewußt wird, dem brennt zunehmend die Frage auf der Seele: ‚Kann ich sie abbauen und wie, ohne daß ich selbst dabei überschnappe?' Doch das ist genau die Frage vieler spiritueller ‚Aussteiger', Schamanen und Mystiker. Sie hören auf, sich die Welt um ihre Bedürfnisse herum anzupassen. sie versuchen, ihr Verstrickungsgespinst zu lösen, anstatt es immer nur neuen Moden und Tageserkenntnissen anzupassen. Ihre Politik geht in Richtung ‚Sein' statt ‚Haben', ‚Loslassen' statt ‚festhalten', den inneren Dialog beenden und endlich ‚Durchblick' in einer ganz anderen, übergeordneten Weise zu gewinnen... Bevor wir uns allerdings ganz auf diese Perspektive einlassen, einige ‚umstürzlerische' Ergebnisse, die bereits eine erneute ‚Renaissance' erkennen lassen. Bemerkenswert daran ist, daß sie aus den verschiedensten Forschungsdisziplinen selbst hervorgegangen sind: Informatik, ja sogar Mathematik, sowie Systemtheorie, Biologie, Kulturanthropologie, Medizin, Musiktheorie, Psychologie, Pädagogik.... Dazu nur einige Schlaglichter:

Die Welt ist ‚fraktal' geordnet und ‚dissipativ'
Schon vor bald 20 Jahren machte die Chaos-Theorie, Fraktale Geometrie v.a. zusammen mit der Theorie der Dissipativen Strukturen (‚dissipativ' heißt in etwa ‚labiles Fließgleichgewicht') sowie jene der Selbstorganisation Furore. Die Fraktale Geometrie oder Theorie der Selbstähnlichkeit avancierte zum neuen Ordnungsstandard für viele Naturphänomene (Organismen, Landschaften, Wetter, Galaxien...) und an sich auch für geistige Bereiche, etwa in der Lerntheorie. Ein Tor in eine neue Welt des Begreifens wurde damit aufgestoßen.

Sie organisiert sich nicht linear, sondern systemisch
Unser Bild vom Gleichgewicht zwischen Ursache und Wirkung ist falsch bzw. gilt nur für triviale Probleme (wo einfache Mechanismen genügen). Aus der Theorie der Dissipativen Strukturen geht hervor, daß kleinste Ursachen (z.B. ein Flügelschlag) größte Wirkungen hervorrufen können (z.B. einen Sturm). Zudem erklärte man sich zuvor die Entstehung von Strukturen höherer Ordnung physikalisch oder chemisch aus niederen, und zwar linear, offensichtlich, ohne sie zu verstehen. Prigogine wies nun darauf hin, "daß an chemischen Instabilitäten eine Fernordnung beteiligt ist, durch die das System als Ganzes wirkt" und "daß diese einfache Konzeption von Raum und Zeit durch das Auftreten von dissipativen Strukturen durchbrochen werden kann. Sobald eine dissipative Struktur entstanden ist, wird möglicherweise die Homogenität von Raum und Zeit zerstört" [10]

Unser einfaches Bild von Kausalität geriet also auch damit ins Wanken.

Sie ist komplex, nicht trivial
In diesem Zuge stellte sich das ‚Überdrüber' der naturwissenschaftlichen Methode, die reduktionistische Vorgehensweise, als unhaltbar heraus. Bis dahin wurde versucht, alle Phänomene einer höheren Seinsebene auf die jeweils niedrigere und schließlich auf diejenige der Physik zu reduzieren. Daß das nicht so ohne weiteres geht, mußte schon der ‚Wiener Kreis' (Carnap, Gödel...) mit Bedauern feststellen, der die Schiene des Aristotelismus, Thomismus und Cartesianismus auf die Spitze trieb. Die neueren physikalisch-chemischen Theorien erhärten die Unmöglichkeit dieses Unterfangens. Dazu allgemein - und eigentlich ist der Schluß ja beschämend klar und einfach - Hans Primas: "Jede Maschine beruht in ihrem Betrieb auf den Gesetzen der Physik und Chemie, aber der Entwurf der Maschine stammt aus einem höheren Ordnungsprinzip. In diesem Sinne kann man Maschinen nicht auf rein physikalische Ursachen zurückführen". [11] In diese Perspektive gehören auch die Beiträge zur Theorie der lebendigen Organisation, etwa von Maturana und Varela, deren ‚Autopoesis' (Selbstorganisation) freilich noch keineswegs der letzte Schluß sein kann. Maturana: "Wir erzeugen buchstäblich die Welt, in der wir leben, indem wir sie leben." [12] Doch daraus (wie er es nahezulegen versucht) den Umkehrschluß zu ziehen, erscheint zwar toll, aber wieder einmal steht damit der prometheische Wunsch Pate, alles einfach nach Vorstellung und Wille zu machen...

Sie entsteht durch Morphogenese
Von so ungeheurer Tragweite, daß sie vom Wissenschaftsestablishment nicht mehr nachvollzogen werden wollte - auch weil damit der systemische Materialismus und Agnostizismus ins Wanken geraten - ist die Theorie der Morphogenesis von Rupert Sheldrake. Er formuliert damit nichts geringeres als eine Art ‚Lerntheorie' der Evolution. [13] Zunächst ging es dabei um Lösungsvorschläge zu Fragen wie: Wie wird ein Teil zum Ganzen (Regenerationsvermögen eines Organismus, Reproduktion neuer Organismen)? Wie können Zellen, die gleich programmiert sind (DNS), sich verschieden entwickeln? Der ‚casus knacktus' fand sich in Sheldrake's Theorie der ‚formbildenden Verursachung' jedoch genau dort, wo er das materialistische Weltbild als solches erschüttern würde: Um etwa für die unerwarteten Ergebnisse der Rattenversuche zur Untersuchung der Lamark'schen Hypothese der Vererbung eine plausible Erklärung zu finden, müßte man annehmen, daß Lernleistungen auch eine Art ‚Fernwirkung' haben. Die Übertragung der Zunahme an Lernleistung sowohl bei trainierten wie bei nicht trainierten Rattenstämmen ist nämlich orthodox nicht erklärbar. Sheldrake nun behauptet, daß allein die Ähnlichkeit sogenannter ‚morphogenetischer Felder' ausreicht, um - unabhängig von Genealogie, Raum und Zeit eine morphische Resonanz hervorzurufen, d.h. ein anderes lebendes System an der Errungenschaft des einen teilhaben zu lassen. Wir kommen also zum Schluß: Information wirkt durch Resonanz - Sie braucht als Überträger keine Substanz. Nun, das klingt ganz arg nach Telepathie und Telekinese, und hier muß wohl mit Christian Morgenstern gesagt werden, daß "nicht sein kann, was nicht sein darf" - oder?

Schlußbetrachtung
Wenn wir also doch auch makroskopisch in einer quantenphysikalischen Welt leben, es nur nicht wahrhaben wollen - was dann? Schneiden wir uns dann nicht ab von einer Fülle curativer und kreativer Möglichkeiten, in die wir besser als Lernende hineinwachsen sollten? Beschneiden wir uns dann nicht unsere menschliche, nämlich bewußte (!) Evolution? Erinnern wir uns beispielsweise - und damit komme ich wieder auf das Kapitel "Unsere Sicht ist unser Gefängnis" zurück - an die alte Kosmologie und harmonikale Zahlensymbolik der Pythagoräer, Kabbalisten oder Inder, wo geometrische Orte Qualitäten verkörpern, die in ihren analogen Verhältnissen gesetzmäßig zueinander und aufeinander wirken? Als Ton, als Farbe, als Beschaffenheit und Gestalt und spiegelbildlich im Subjekt als Stimmung und innerem Vermögen? Wie sagte doch schon Goethe: "Solltet im Naturbetrachten immer eins wie alles achten: Nichts ist drinnen, nichts ist draußen, denn was innen ist, ist außen." [14] So durchzieht alles die im Abendland noch so erschreckend darniederliegende Innen-Außen-Problematik. Dieses Darniederliegen äußert sich nicht nur im vordergründigen, kulturlosen Unwesen der politischen Kämpfe Ewiggestriger (z.B. Faschisten und Antifaschisten), als Reste einer Machtpolitik zwischen Kapitalismus und Kommunismus bzw. im totalen Krieg des Neoliberalismus (der US/EU-Politik) bzw. inden selbstzerstörerischen Modetrends handinhand mit der Verdummungsindustrie der Massenmedien. Mit den Versuchen auf gentechnischer und Mikrochipbasis, neue Geschöpfe nach unserer Vorstellung zu formen, sind wir am Gipfel- und Wendepunkt der Selbstherrlichkeit, bei den ‚gefallenen Engeln' des christlichen Mythos, die ‚sein wollten wie Gott' und deswegen in die Tiefe und Dunkelheit stürzten. Das Licht der prometheischen, luziferischen Erkenntnis haben unsere Naturforscher bereits bis zu diesem tiefsten Punkt des Materialismus gebracht. Doch zugleich damit wird zunehmend deutlich, wo sie (und wir als Konsumenten dieser Technologie) die ‚Rechnung ohne den Wirt' machen. In dem Maße nun, wie wir das Wesen der Sphinxfrage "Wer bist Du, Mensch" erkennen, also die Frage stellen nach dem Bewußtsein selbst - als Schöpfer all dieser Dinge und Torheiten, finden wir wieder Anschluß an die alten Weisheitslehren der Indianer, Inder, des Zenbuddhismus, der jüdischen und griechischen Mysterien..., kurz: an die ‚philosophia perennis', die sich so schlecht predigen, aber desto wünschenswerter leben läßt. Das Rad dreht sich, und nach über zweieinhalbtausendjähriger Odyssee (diese Darstellung begann bei Pythagoras, die Wurzeln seiner Kosmologie wie auch jene der Entfremdung vom Baum des Lebens reichen jedoch viel weiter zurück) scheint sich der Trend nun allmählich umzukehren - von der Suche der Ursachen im Außen ins Bewußtsein selbst. [15] Wie einleitend gesagt, vermittelte ich nur Blitzlichter menschlicher Kulturgeschichte und ließ dabei so manche wichtige Strömung beiseite (z.B. Neuplatonismus, die Lehren der Hypathia, Gralsbewegung und Templerorden, aber auch z.B. den ohnehin allzu bekannten Kommunismus und nationalistische Fehlgeburten etc. - und das sind nur die abendländischen Strömungen). Es lohnt sich sicher, das eine oder andere Thema dazu in einer weiteren Folge gesondert zu behandeln. Natürlich leitete mich dabei ein ganz bestimmtes Interesse, nämlich die Frage: Wie formte die Geschichte den alle Zeiten durchziehenden Wettstreit zwischen Haben und Sein, Prometheus und Anima mundi (Weltenseele), vergewaltigender, unterdrückender Machtgebärde und einfühlender Suche nach dem Wesen der Existenz, hochmütige Erschaffung künstlicher Paradiese und Suche nach dem geahnten und verborgenen, das nur der Demütige betreten kann. Leider ist mir bislang kein Autor bekannt, der die Kulturgeschichte nach diesen Kriterien befragt hätte. Aber diese Fragen scheinen mir wichtiger denn je, wenn wir uns nicht in Chimären und Leiden verrennen, sondern Glück und ‚ewiges Leben' erringen wollen...

Anmerkungen:

  1. Popper Karl: Die Logik der Forschung; J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1976, S. 8
  2. Moser Franz: Bewußtsein in Raum und Zeit - Die Grundlagen einer holistischen Weltauffassung auf wissenschaftlicher Basis; Leykam, Graz, 1989, S. 49
  3. Laudon Larry: Progress and ist Problems - Towards a Theory of Scienetific Growth; Routledge and Kegan Paul, London-Henley, 1977
  4. Medawar Peter: Hypothesis and Imagination; in: The Philosophy of Karl Popper; A. Schlipp (Ed.), La Salle, USA, 1974, S. 275
  5. Kuhn Thomas S.: Die Struktur der wissenschaftlichen Revolution; Suhrkamp TB, Frankfurt/M, 1978
  6. Feyerabend Paul: Wider den Methodenzwang, Suhrkamp 1977
  7. s.u.a.: Bucke R.M.: Die Erfahrung des Kosmischen Bewußtseins; Aurum, Freiburg /Br. 1975 Maslow Abraham: Religions, Values and Peak-Experiences; Viking Press, New York 1974
  8. Dürr Hans Peter: Das Netz des Physikers; Carl Hauser 1988, S. 21
  9. vgl. u.a.: Moser, a.a.O., S. 85ff
  10. Ilya Prigogine: Vom Sein zum Werden - Zeit und Komplexität in den Naturwissenschaften; Piper, München 1980, S.117 u. 118
  11. Primas Hans: Chemistry, Quantum Mechanics and Reductionism; Springer, Berlin 1985, S. 308)
  12. Maturana Huberto: Erkennen: Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit; Vierweg, Braunschweig-Wiesbaden 1985, S. 269
  13. Sheldrake Rupert: Das Schöpferische Universum - Die Theorie des morphogenetischen Feldes; Goldmann TB, München 1984 bzw. ders.: A New science of Life, The Hypothesis of Formative Causation; Paladin, London-Glasgow 1987
  14. Diese Betrachtung kommt allmählich in Mode, repräsentiert ewa durch den ‚Arbeitskreis für Harmonikale Grundlagenforschung' in München, dem ‚Institut Psychosomatique' in Blonai, Schweiz, der Veda-Akademie in Schöna etc. S.a. A. Zweig: Symbolforschung und Naturwissenschaft, Vlg. Peter Lang, Bern
  15. Dazu steht eigentlich noch die Erörterung der rezenten Gehirn- und Bewußtseinsforschung aus, z.B. von J.C. Eccles, K. Pribram, Ken Wilber u.a.

 

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